5. Sprache der Lehrkraft

Einen großen Stellenwert im Unterrichtsalltag nimmt die Sprache der Lehrkraft ein. Sie ist entscheidendes Unterrichtsmedium, das Hauptwerkzeug des Unterrichts und gilt im sprachtherapeutischen Unterricht als „eines der zentralen Mittel der Förderung“ (Berg, 2008). Sie hat Vorbildfunktion, umfasst alle Elemente kommunikativen Verhaltens (Westdörp, 2010 ) und setzt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Sprachverhalten der Lehrkraft zusammen, welche zu den wichtigsten, jederzeit verfügbaren und individuell anzupassenden Maßnahmen der Sprachförderung gehören (Troßbach-Neuner, 1997).

Gleichermaßen zeichnet sich der Unterricht erfolgreicher Lerngruppen tendenziell durch geringere Sprechanteile der Lehrkräfte und eine weniger lenkende Gesprächsführung aus (Amidon & Giammatteo, 1965; DESI-Konsortium 2008).

Schwierigkeiten auf den verschiedenen Sprachhandlungsebenen, in der Sprachproduktion und im Sprachverstehen stellen für Kinder und Jugendliche mit Sprachbeeinträchtigungen Lernbarrieren dar. Sie mindern ihre unterrichtliche Teilhabe sowie den Erwerb zentraler Unterrichtsinhalte. Somit sind Sprache und Kommunikationsverhalten der Lehrkraft entscheidende Faktoren für erfolgreiches Unterrichten. Entsprechend werden Unterrichtsinhalte und deren Vermittlung auf die sprachlichen Voraussetzungen der Schüler:innen abgestimmt (Reber & Schönauer-Schneider, 2022).

(Siehe auch: https://www.idl.lehrerbildung-at-lmu.mzl.uni-muenchen.de/foerderschwerpunkte/sprache/lehrersprache/index.html)

Verbale Mittel

Die bewusste und geplante Verwendung sprachlicher Mittel durch die Lehrkraft trägt wesentlich zur unterrichtlichen Teilhabe von Schüler:innen mit Sprachbeeinträchtigungen bei. Zu den verbalen Mitteln gehören folgende Aspekte:

  • ein angemessener Sprechanteil der Lehrkraft
    • sprachliche Anteile gezielt und dosiert einsetzen. Dabei nimmt sich die Lehrkraft situationsangemessen eher zurück, fungiert bewusst als sprachliches Modell mit schrittweise aufbauenden sprachlichen Hilfestellungen und ermöglicht gleichermaßen eine natürliche Kommunikation.
    • Aussagen der Schüler:innen moderieren
  • eine Orientierungan den (sprachlichen) Lernvoraussetzungen der Schüler:innen im Sinne eines Förderns und Forderns, dabei je nach Bedarf folgende Vereinfachungen vornehmen:

 

Semantisch-lexikalische Vereinfachungen (Wortwahl):

  • bekannte Wörter anstelle von unbekannten Wörtern verwenden
  • gleichbleibende Bezeichnungen statt begriffliche Vielfalt nutzen
  • konkrete statt abstrakte Begriffe gebrauchen
  • Metaphern und Redewendungen vermeiden

Syntaktisch-morphologische Vereinfachungen (Satzbau und Grammatik)

  • Äußerungslänge verringern: kurze, prägnante Sätze verwenden
  • Präsens statt Imperfekt gebrauchen
  • Hauptsätze anstelle von Nebensatzkonstruktionen nutzen
  • Aktivsätze anstelle von Passivsätzen einsetzen
  • direkte wörtliche Rede statt indirekte Rede verwenden
  • nachgestellte statt vorangestellte wörtliche Rede formulieren (Der Mann sagte: „…“)
  • Ereignisreihenfolge einhalten (Vermeiden von: bevor/nachdem/wenn…)

Phonetisch-phonologische Gestaltung (Aussprache)

  • deutliche, lautreine und nicht zu schnelle Artikulation
  • die gezielte Verwendung von Fragetechniken
    • klare und wenig komplexe Fragen zum Wissen oder Verständnis der Schüler:innen stellen
    • offene Fragen formulieren, die
      • Nachdenken provozieren,
      • Fragen der Schüler:innen evozieren,
      • Beteiligung an Diskussionen provozieren,
      • Aufmerksamkeit wecken (Problemorientierung),
      • Ziele oder Denkwege bewusstmachen (Prozessorientierung).
    • wertschätzende und ressourcenorientierte Fragen nutzen (Methner, 2015)

 

Nonverbale Mittel

Nicht-sprachliche Kommunikationselemente verstärken und ergänzen sprachliche Äußerungen. Sie tragen im besonderen Maße zum Sprachverstehen bei. Unter nonverbalen Mitteln versteht man

  • eine stimmige und ausdrucksstarke Mimik,
  • die vermehrte und eindeutige Verwendung von Gestik bzw. Körpersprache, 
  • eine feste Position der Lehrkraft im Raum,
  • den gezielten Einsatz von Blickkontakt,
  • die Antlitzgerichtetheit, so dass das Mundbild von den Schüler:innen gut abgelesen werden kann sowie
  • den Einsatz von Handzeichen, insbesondere bei der Buchstabeneinführung.

 

Paraverbale Mittel

Die Art und Weise der sprachlichen Äußerung unterstreicht sprachliche Inhalte. Auch sie fördern das Sprachverständnis. Folgendes sollte beachtet werden:

  • Sprechgeschwindigkeit verringern
  • Sprechpausen einlegen
  • Lautstärke anpassen
  • zentrale Begriffe durch gezielte Betonung hervorheben (à über Lautstärke, gedehntes Sprechen, Pausensetzung vor dem gewünschten Wort)
  • Sprachmelodie/Prosodie abwechslungsreich gestalten
  • wichtige Wörter und Satzteile bewusst akzentuieren und wiederholen

 

Handlungsbegleitendes Sprechen

Tätigkeiten werden durch Sprache bewusst begleitet bzw. kommentiert, wobei Synergieeffekte das Verständnis erhöhen. Dabei kann sich innere Sprache aufbauen und der Wortschatz erweitert werden, Bedeutungszusammenhänge entwickeln sich. Handlungsbegleitendes Sprechen wird in aufeinanderfolgenden Schritten eingesetzt:

  • Die Lehrkraft begleitet sprachlich die eigene Handlung.
  • Die Lehrkraft begleitet sprachlich eine Handlung einer Schüler:in (modellhaftes Versprachlichen mit Handlung).
  • Die Lehrkraft spricht während der Ausführung der Handlung mit und modelliert - auch im Sinne von Scaffolding (maskiertes Versprachlichen).
  • Die Schüler:in führt eine Aufgabe durch, handelt und spricht dabei laut mit. Evtl. hilft die Lehrkraft durch Mitsprechen (selbstständiges Versprachlichen).
  • Die Schüler:in führt eine Aufgabe durch, handelt und flüstert oder artikuliert lautlos die Selbstinstruktion (flüsterndes Versprachlichen).
  • Die Schüler:in führt eine Aufgabe durch und denkt sich die sprachlichen Anweisungen nur noch (inneres Versprachlichen).
  • Die Lehrkraft fordert durch gezielte Leitfragen zum handlungsbegleitenden Sprechen auf (gezielte Leitfragen stellen). 

Gezielte Intervention durch Modellierungstechniken 

Zu den sprachförderlichen Maßnahmen gehören spezifische sprachliche Reaktionen der Lehrkraft auf kindliche Äußerungen, die das Kind in seiner Kommunikation stärken und fördern sollen. Verschiedene Formen der Modellierung stehen den Lehrkräften zur Verfügung, die den Äußerungen der Schüler:innen vorausgehen oder nachfolgen können. (siehe: https://www.idl.lehrerbildung-at-lmu.mzl.uni-muenchen.de/foerderschwerpunkte/sprache/modellieren/index.html)

  • korrektives Feedback: Äußerungen der Schüler:innen werden von der Lehrkraft korrigiert wiedergegeben ohne zur Wiederholung aufzufordern.
  • Umformung: Die Lehrer:in greift die Äußerung der Schüler:innen auf und formt diese in eine andere Zielstruktur um.
  • Expansion: Die sprachliche Äußerung wird um fehlende Elemente erweitert.
  • Extension: Die sprachliche Äußerung wird von der Lehrkraft aufgegriffen und inhaltlich erweitert.
  • modellierte Selbstkorrektur:  Die Lehrkraft wiederholt die fehlerhafte Äußerung der Schüler:in und bietet anschließend auch die korrigierte Form an (Reber & Schönauer-Schneider, 2022).

Weiterführende Literatur/Links

 

Reber, K. (2024). Unterrichtsgespräche im Fokus:

https://karin-reber.de/2024/01/30/unterrichtsgespraeche/

 

Sprachnetz (Uni Halle) Impuls: Sensible Gesprächsführung: https://youtu.be/w5JTpEiFV0c

 

Guter Unterricht – Unterrichtsgespräche: https://www.guterunterricht.de/unterrichtsgespraeche

 

Allgemeiner Überblick über das Thema Sprache der Lehrkraft/Wortschatz (Reber, K.):  https://karin-reber.de/2018/10/26/Bausteine-sprachheilpaedagogischen-unterrichts-lehrersprache-wortschatz/

 

LMU, Inklusionsdidaktische Lehrbausteine Lehrersprache: https://www.idl.lehrerbildung-at-lmu.mzl.uni-muenchen.de/foerderschwerpunkte/sprache/lehrersprache/index.html

 

Einsatz von Handzeichen (Reber, K.): https://karin-reber.de/2018/11/03/handzeichen/

 

Erfurter Sprachhäppchen (Uni Erfurt): Einsatz von Lautgesten im Unterricht: https://www.youtube.com/watch?v=GN7QLXTDBRg

 

Westdörp, A. (2010): Möglichkeiten des gezielten Einsatzes der Lehrersprache https://shzaachen.wordpress.com/wp-content/uploads/2016/11/sha_1-2010_rz_westdoerp1.pdf

Reber, K./Schönauer-Schneider, W. (2011): Bausteine Lehrersprache - störungsübergreifend https://www.rebuz.bremen.de/angebote/sprache-sprechen/lehrersprache-modellierungstechniken-11006