Pragmatisch-kommunikative Störung

Förderung kommunikativer Basisfähigkeiten

- soziokognitive Fähigkeiten (u.a. soziale Zugewandtheit, geteilte Aufmerksamkeit, Imitation)
- Verständnis und Ausdruck früher kommunikativer Intentionen
- Interaktionen in Form alltäglicher Handlungsmuster oder Rituale (u.a. Reime, Spiele)

Ziel:

- ressourcenorientierte Erweiterung der kommunikativen Basisfähigkeiten
- direkte Förderung am Kind oder indirekte Förderung der Eltern

FiSchE (Frühe Interaktive Sprachtherapie mit Elterntraining) (Schelten-Cornish 2005)
  - Eltern als Co-Therapeuten
  - Einsatz sprachfördernder Verhaltensweisen im Alltag
  - Videotraining
  - Erarbeitung von Interaktionsstrategien (z.B. „Einfangen“ des kindlichen Blickes)
  - Optimierung von Parametern wie aktives Zuhören und angemessene Sprecherwechsel


Frühtherapie nach Zollinger (Kannengießer 2012)
  - Indikation basierend auf Fähigkeiten in den Bereichen praktisch-gnostischer, symbolischer, sozial-kommunikativer und sprachlicher Kompetenzen
  - „Entdeckung des Du“ als elementares Therapieziel:
  - das Gegenüber als Person mit eigenen Gedanken und Gefühlen erkennen
  - Mitteilungsabsicht des Gegenübers erkennen
  - Mitteilung eigener Wünsche und Vorstellungen


Förderung Sprachsystematischer kommunikativer Ressourcen

- kommunikative Schwierigkeiten als Folge bestehender Sprachauffälligkeiten (Dohmen 2009)
- Therapie sprachlicher Strukturen mit kommunikativ-pragmatischer Orientierung (Kannengießer 2012)
- vordergründiges Ziel der Transfersicherung und Alltagsorientierung u.a.

  • Entwicklungsproximaler Ansatz (Dannenbauer 2002)
  • Handlungsorientierte Therapie (HOT) (Weigl & Reddemann-Tschaikner 2002)

Ziel: Erweiterung sprachstruktureller Defizite und Gewährleistung einer flexiblen Anwendung sprachlicher Strukturen in variablen sozialen Kontexten


Förderung sprachlich-pragmatischer Fähigkeiten

- Aufhebung des Ungleichgewichts zwischen relativ guten formal-sprachlichen Fähigkeiten und eingeschränkten kommunikativen Fähigkeiten (Dohmen 2009)
- Organisation, Koordination und Aufrechterhaltung von Kommunikation hinsichtlich Kohärenz und Kohäsion
- Förderung der Sprachverständnisleistung für u.a. Redewendungen, indirekte Äußerungen, Humor

Ziel: Erweiterung der kommunikativen Kompetenz und somit Erleichterung mündlicher und schriftlicher schulischer Anforderungen

Förderung der kindlichen Erzählfähigkeit (Schelten-Cornish 2008)
  - Förderung des mündlichen Erzählens (u.a. aktives Zuhören, Nacherzählen)
  - Förderung der Kohärenz
  - Aufbau einer Geschichte nachvollziehen (Einleitung, Hauptteil, Schluss)
  - Thema/Überschrift finden
  - interne Reaktionen/Gefühle verstehen
  - Logische Pläne erkennen und formulieren
  - Einsatz kohäsiver Mittel
  - Wahrnehmung von Wiederholungen
  - Erkennen von Erzählperspektiven  
  - Erkennen von Pronomen und ihrer Referenten
  - Konjunktionen
  - Wortfeld sagen
  - Tempuswahrnehmung


Förderung des sozial-kompetenten kommunikativen Verhaltens

- Neben sprachsystematischen Auffälligkeiten, die nicht notwendigerweise vorliegen, sind Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion mit Gleichaltrigen und Erwachsenen zu beobachten (Dohmen 2009).
- Folgen des nicht kompetenten sozial-kommunikativen Verhaltens: sozialer Rückzug, Einsamkeit, negatives Selbstbild, keine Beteiligung an Gruppenaktivitäten:

Ziel: Erweiterung der Teilfähigkeit der Kommunikationsorganisation (paralinguistische kommunikative Ressourcen wie z.B. Stimmgebung, Gestik, Mimik, Körperhaltung etc. sowie Fähigkeiten, eine kommunikative Situation angemessen und adäquat einschätzen zu können).

Gruppentherapieformen (Schnittstelle Sprachtherapie/Psychologische Intervention):

u.a.

  • Fit for Life - Training sozialer Kompetenz für Jugendliche (Jugert et al. 2011)
  • Training von sozial unsicheren Kindern (Petermann & Petermann 2006)

 

Förderung von dauerhaft beeinträchtigten kommunikativen Ressourcen

- kommunikative Schwierigkeiten aufgrund von angeborenen und erworbenen Ursachen (Dohmen 2009)

Ziel: alternative bzw. ergänzende Kommunikationsformen finden, damit die Interaktion und Kommunikation gelingt.

Unterstützte Kommunikation (Kaiser-Mantel 2012)
 - Unterstützte Kommunikation ist im deutschen Sprachraum eine etablierte Bezeichnung eines englischen Begriffs AAC (Alternative and Augmentative Communication ) (Kaiser-Mantel 2012: 12)

- Förderung und Stärkung alternativer und ergänzender Kommunikationsformen

 - Körpereigene Kommunikationsformen: Basale Stimulation und basale Kommunikation (Atemrhythmus, Tonusveränderung, Mimik, Augenbewegungen, zielgerichtete Bewegungen, stereotypes Verhalten, Vokalisierung) vs. Handzeichen (Gesten bzw. individuelle Gebärden: taktile Gebärden, geführte Gebärden, Body Signs, On Body Signs, DGS, Manualsysteme wie z.B. PMS: Phonembestimmtes Manualsystem) (Kaiser-Mantel 2012: 24)

- Körperfremde und hilfsmittelgestützte Kommunikationsformen: nicht-elektronische Hilfsmittel (3D-Systeme: Realgegenstände, Miniaturobjekte, Bezugsobjekte; 2D-Systeme: Bilder, Symbole, Schrift, Kommunikationsbücher) vs. elektronische Hilfsmittel (ohne Sprachausgabe vs. mit Sprachausgabe) (Kaiser-Mantel 2012: 25)

 

Schulischer Bereich

SCIP-Intervention: Social Communication Intervention Project (Adams et al. 2012)

Ziel: sprachliche und kommunikativ-pragmatische Fähigkeiten bei Kindern mit Beeinträchtigungen im Bereich der Pragmatik im Grundschulalter verbessern. Für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen ist die Intervention ebenfalls geeignet.

- Die SCIP-Intervention bei kommunikativ-pragmatischen Störungen findet auf drei wichtigen Ebenen statt: linguistische, pragmatische und soziale Ebene (Verstehen von sozialen Routinen und soziale Interaktion).

- Jede der drei Ebenen beinhaltet fünf weitere Komponenten mit dazugehörigen Therapiesettings. Die am häufigsten verwendeten Therapiekomponenten wurden als folgende ermittelt: Arbeit an Konversationsfähigkeit, Verbesserung der Erzählfähigkeit, Verstehen von sozialen  und emotionalen Signalen in Interaktionen.

- Ja nach Bedürfnissen des Kindes individuell angepasst und zusammengestellt.

- Das Therapieprogramm enthält ein detailliertes Manual zur Therapieplanung und -durchführung.

- signifikante Interventionseffekte im Hinblick auf die soziale Kommunikation und die allgemeine Gesprächsqualität

- Es liegt keine Übertragung ins Deutsche vor.

 

Literatur

Adams, C., Lockton, E., Gaile, J., Earl, G. & Freed, J. (2012). Implementation of a manualized communication intervention for scholl-aged children with pragmatic and social communication needs in a randomized controlled trial: the Social Communication Intervention Project. Int J Lang Commun Disord, 47 (3), 245-256

Dannenbauer, F. M. (2002). Grammatik. In: Baumgartner, S. & Füssenich, I. (Hrsg.): Sprachtherapie mit Kindern (S. 105-161). München: Ernst Reinhardt.

Dohmen, A. (2009). Profile eingeschränkter kommunikativer Kompetenz von Kindern: Theoretische und praktische Orientierung zur Therapiekonzeption. L.O.G.O.S. Interdisziplinär, 17, 2, 118-128.

Jugert, G., Rehder, A., Notz, P. & Petermann, F. (2011). Fit for Life - Module und Arbeitsblätter zum Training sozialer Kompetenz für Jugendliche. 9., vollst. überarb. Aufl. Weinheim und München: Juventa.

Kaiser-Mantel, H. (2012). Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie: Bausteine für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. München: Reinhardt

Kannengießer, S. (2012). Sprachentwicklungsstörungen. Grundlagen, Diagnostik und Therapie. München: Urban & Fischer.

Petermann, U. & Petermann, F. (2006). Training mit sozial unsicheren Kindern. 9., vollst. überarb. Aufl. Weinheim: BeltzPVU.

Schelten-Cornish, S. (2005). Indirekte interaktive Intervention bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen: Analysen an Fallbeispielen. L.O.G.O.S. INTERDISZIPLINÄR,  13, 2, 105-111.

Schelten-Cornisch, S. (2008). Förderung der kindlichen Erzählfähigkeit. Idstein: Schulz-Kirchner.

Weigl, I. & Reddemann-Tschaikner, M. (2002). HOT – ein handlungsorientierter Therapieansatz für Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen. Stuttgart: Thieme.