Autor: Yasmin Sassi; stud. paed.; Leibniz Universität Hannover

Mehrsprachigkeit

Leitgedanken zur Diagnostik im Kontext von Mehrsprachigkeit

Anforderungen

Das Ziel von Sprachstandserhebungen besteht grundsätzlich darin, den Sprachstand von Kindern zu erfassen (vgl. Chilla et al. 2010, S.98). Meistens werden sie ein bis zwei Jahre vor der Einschulung angewandt, um einen Einblick in den individuellen Förderbedarf eines Kindes zu erhalten. In ausgewählten sprachlichen Bereichen, beispielsweise dem passiven Wortschatz oder der phonologischen Bewusstheit, werden damit die Fähigkeiten eines Kindes objektiv erfasst (vgl. ebd.). Instrumente zur Sprachstanderhebung unterscheiden sich in ihrem Umfang stark voneinander. So sind Screenings als eine Form von Sprachstandserhebungen sowohl finanziell als auch zeitlich ökonomische Verfahren, mit denen Kinder anhand eines groben Rasters  hinsichtlich ihrer sprachlichen Fähigkeiten eingeschätzt werden können. Untersucht wird dabei jedoch lediglich, ob das Kind einer altersgemäßen sprachlichen Norm entspricht oder nicht. Screenings beschränken sich damit auf ausgewählte sprachliche Teilaspekte und setzten sich aus kurzen Untertests zusammen, die meistens bei allen Kindern eines Jahrganges angewendet werden können (vgl. ebd.). Aus diesem Grund eignen sich Screenings vor allem für eine Eingangsdiagnose. Andere, umfangreichere Tests hingegen berücksichtigen im Idealfall alle Teilbereiche der Sprache und bilden somit den individuellen kindlichen Sprachstand besser ab und können somit eine gute Ergänzung zu Screenings bilden.
Um dem Anspruch einer umfangreichen aussagekräftigen Diagnose gerecht zu werden, haben Sprachstandserhebungen- unabhängig ihrer Konzeption- diverse wissenschaftliche Kriterien zu erfüllen (vgl. Kracht 2000) Zu ihnen gehören in erster Linie die Erfüllung von testtheoretischen Standdarts sowie ein Erfassungskonzept, das sowohl die Performanz als auch die eigentliche Kompetenz des Kindes festhalten kann. Des Weiteren ist eine Ressourcenorientierung notwendig, die nicht die sprachlichen Defizite, sondern vielmehr die Kompetenzen des Kindes herausstellt und damit Ansatzpunkte zur Förderung liefert. Zentral für jede Sprachstanderhebung ist zudem, dass sie sich an der gesprochenen Sprache orientiert und natürlich handhabbar und praxisnah konzipiert ist (vgl. Chilla et al. 2010,  S.99).
Im Fall einer Diagnostik im mehrsprachigen Kontext gehen die an die Erhebungsinstrumente gestellten Anforderungen zusätzlich über diese Kriterien hinaus: Hier wird zusätzlich eine starke personale Orientierung gefordert, bei der das Kind mit seinen individuellen Voraussetzungen und Entwicklungsbedingungen im Mittelpunkt steht. Aus diesem Grund werden Analysen der jeweiligen kindlichen Spracherfahrungen in den verschiedenen Lebenswelten gefordert, die mit einer differenzierten Betrachtung aller genutzten Sprachsysteme einhergehen soll (vgl. ebd. S.101.).

Perspektiven

Es ist grundsätzlich festzuhalten, dass dem Bedarf an Instrumenten zur Diagnostik mehrsprachiger Kinder zunehmend weiter nachgegangen wird. Dennoch ist stets zu beachten, dass viele sprachliche Phänomene, die nur im mehrsprachigen Kontext aufzufinden sind (beispielsweise Codeswitching), noch keinen Platz in der mehrsprachigen Diagnostik eingenommen haben. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass ebendiese Phänomene noch unzureichend erforscht wurden, um sie in diagnostische Verfahren zu integrieren. Zentral ist zum anderen jedoch auch die Tatsache, dass in Deutschland  noch das mehrsprachige Personal fehlt, dass dem Anspruch einer mehrsprachigen Diagnostik gerecht werden könnet. So stellt Kracht heraus, dass „vor allem in der angloamerikanischen Fachliteratur Einigkeit darüber besteht, dass mehrsprachige Pädagogen und Therapeuten (…) die besten Entwicklungspartner für die Kinder wären (vgl. Kracht 2012, S.579). Ob sich diese These bestätigen wird, zeigt sich wohl erst im Verlauf der nächsten Zeit. Vorab können jedoch Empfehlungen ausgesprochen werden, die einen reflexiven Umgang mit mehrsprachigen Kindern und ihrer Diagnostik anregen sollen: das ‚Phänomen‘ Mehrsprachigkeit ist als Merkmal moderner Gesellschaften zu betrachten, das für immer mehr Menschen an Relevanz zunehmen wird. Die bisher in diagnostischen Prozessen angewandten Altersnormen sollten durch „Entwicklungsnormen, die sich auf den Umfang und die Qualität von Entwicklungszeiten mehrsprachiger beziehen“ (Kracht 2012, S.580), abgelöst werden. In der sprachtherapeutischen Praxis sollte nicht mehr von einem Generalisierungseffekt ausgegangen werden, der eine Verbesserung der erstsprachlichen Fähigkeiten durch eine Therapie der Zweitsprache Deutsch mit sich bringen soll. Vielmehr ist eine zunehmende Kooperation mit den mehrsprachigen Eltern sowie mehrsprachigen „Co-workers“ (ebd.) notwendig. Die das Kind in seiner Mehrsprachigkeit  unterstützen. Die Tendenz aus diesen Empfehlungen ist deutlich ersichtlich: Die Mehrsprachigkeit es Kindes ist eine Ressource, die zukünftig Wertschätzung und vor allem Förderung genießen sollte. Im nächsten Kapitel soll nun eine Darstellung verschiedener Sprachstandserhebungen folgen. Ob diese den aufgeführten Kriterien entsprechen, soll in der daran schließenden Diskussion untersucht werden.


Diagnostikinstrumente

SCREEMIK 2 – Screening der Erstsprachfähigkeit bei Migrantenkindern

Zielsetzung und Theoretische Grundlage

Das Diagnostikverfahren „SCREEMIK 2“ wurde im Jahre 2008 von der Sprachheilpädagogin Lilli Wagner an der Ludwig-Maximilian-Universität München entwickelt (vgl. Lengyel 2012, S.24). Es handelt sich dabei um ein computergestütztes Screening für Kinder im Alter von 4,0 bis 5,11 Jahren mit der Erstsprache Türkisch oder Russisch (vgl. ebd.). Ziel dieses Instrumentes ist es, einsprachigen Logopädinnen und Logopäden, aber auch Erzieherinnen und Erziehern einen Einblick in die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes zu geben, die es in seiner Erstsprache aufweist (vgl. ebd.). SCREEMIK2 eignet sich vor allem für Kinder, die noch „geringe zweitsprachliche Fähigkeiten besitzen und daher nicht in der Zweitsprache Deutsch überprüft werden können“ (ebd.). Es dient der präventiven Erfassung von Kindern mit einer Sprachentwicklungsstörung und soll die Unterscheidung ermöglichen, ob ein Kind aufgrund einer Spracherwerbsstörung eine sprachtherapeutische Unterstützung benötigt, oder ob es stattdessen nur  Zeit zum Erwerb der zweiten Sprache braucht (vgl. ebd.).
Das Verfahren basiert auf der linguistischen Grundlage, dass der Spracherwerbsprozess als ein strukturbildender Prozess zu begreifen ist, der aus den unterschiedlichen Ebenen „Phonetik, Phonologie, Morphologie, Syntax, Lexikon sowie (…) [Pragmatik]“ (Wagner 2010, S.54) besteht. Diese Strukturebenen werden in der komprimierten Form als ‚Phonetik‘, ‚Morphologie‘ sowie ‚Lexik‘ im Screening aufgegriffen und überprüft. Dabei orientiert sich das Verfahren an der gesprochenen Sprache und „geht nicht von einer Norm der Sprachfertigkeit für Erwachsene aus, sondern von den Entwicklungsstufen der kindlichen Sprachentwicklung“ (Wagner 2010, S.54). Die Normierung erfolgte anhand einer ausschließlich mehrsprachigen Stichprobe von Kindern, die entweder Russisch oder Türkisch als Erstsprache aufwiesen und weist sowohl die Reliabilität als auch die Validität des Instrumentes nach (vgl. Wagner 2010, S.16).


Testzusammensetzung

Insgesamt ist SCREEMIK in drei  grobe Testkategorien ‚Aussprache‘, ‚Grammatik‘ sowie ‚Wortschatz‘ zu unterteilen. Im Untertest ‚Aussprache‘ werden ausschließlich jene Phoneme überprüft, die sowohl in der deutschen als auch in der jeweils zu überprüfenden Sprache vertreten sind und damit von sprachtherapeutischer Relevanz sein könnten (vgl. Wagner 2010, S.55). Insgesamt handelt es sich dabei um 44 Items in der russischen und 45 Items in der türkischen Version (vgl. Lengyel 2012, S.24). Im Untertest ‚Grammatik‘ sind für die russische Sprachüberprüfung die Kategorien „Verständnis von Präpositionen“, „Überprüfung der Fälle“ „Überprüfung der Subjekt-Verb-Kongruenz“ sowie „Hörverständnis-Sätze“ vorzufinden. Hinsichtlich der türkischen Überprüfungsversion führt die Autorin auf, dass eine Reihe an konzipierter Testaufgaben, beispielsweise zur Überprüfung der Subjekt-Verb-Kongruenz, nach statistischer Überprüfung keine signifikanten Unterschiede zwischen sprachlich auffälligen und unauffälligen Kindern mit türkischer Erstsprache nachgewiesen werden konnten. Der Grund dafür wird darin gesehen, dass „die zentralen morphologischen Markierungen im monolingualen Türkischerwerb wesentlich früher als im Deutschen erworben werden. Bereits im Alter von zwei Jahren beherrschen türkischsprachige sprachunauffällige Kinder wesentliche Aspekte des Flexions- und Wortstellungssystems im Türkischen“ (Wagner 2010, S.62). Im Umkehrschluss haben selbst sprachauffällige türkischsprachige Kinder bis zum frühesten Alter der Untersuchung, für die Kinder ab dem Alter von vier Jahren herangezogen wurden, noch zwei Jahre Zeit, um einen möglichen Rückschritt aufzuholen (vgl. ebd.).  Da sich die grammatischen Aufgaben, wie sie im russischsprachigen Teil vorzufinden sind, somit als nicht mehr relevant erweisen, beschränkt sich die türkischsprachige Version auf die Untertests ‚Aussprache‘ und ‚Wortschatz‘ (vgl. ebd.). Dieser letzte Untertest setzt sich wiederum aus den zwei Feldern ‚Farben erkennen‘ sowie ‚Passiver Wortschatz‘ zusammen.


Durchführung  und Auswertung

Die Testdurchführende Fachkraft wird mit Beginn des Diagnostikprogramms automatisch durch sämtliche Testaufgaben geführt. Auf dem Bildschirm sind stets zwei Bildschirme zu sehen: Während eines das jeweilige Item für das Kind  abbildet, enthält das andere die auf Deutsch übersetzte Anweisung, welche der Computer in dem Moment in der jeweiligen Erstsprache auditiv an das Kind richtet (vgl. Wagner 2015, S.3ff.). Die Fachkraft beurteilt während der Durchführungen die Antworten des Kindes als ‚korrekt‘, ‚nicht korrekt‘ oder ‚Beurteilung nicht möglich‘ und erhält nach der Durchführung einen automatisch erstellten Bericht der für jede Aufgabe festhält, ob das Kind einen kritischen Wert erreicht hat (vgl. ebd.).  Das Screening kann zu jeder Zeit abgebrochen werden, was in Anbetracht der kurzweiligen Durchführungsdauer von 10-15 Minuten jedoch nur selten vorkommt (vgl. ebd.).


Möglichkeiten und Grenzen

SCREEMIK 2 bietet ein umfassend überprüftes Diagnostikinstrument zur Erfassung der kindlichen Sprachfähigkeit für die zwei größten Migrantensprachen in Deutschland (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2013, S.105). Gerade bei Kindern, die entweder aufgrund einer noch zu geringen Kontaktdauer mit dem Deutschen oder aber trotz längerem Zweitspracherwerb nur wenige Fortschritte machen, kann ein solches Instrument Abhilfe verschaffen und einen guten Einblick in die erstsprachlichen Fähigkeiten geben  (vgl. ebd.). SCREEMIK2 stößt aber an seine Grenzen wenn es darum geht, einen möglichst umfassenden Einblick in ebenjene Fähigkeiten zu geben (vgl. Lengyel 2012, S.24) So behandelt dieses Instrument nur einen sehr begrenzten Ausschnitt einer möglichen Sprachkompetenz und sollte daher nur als Screening verwendet werden, das erste Eindrücke liefern kann, aber durch weitere Instrumente ergänzt werden sollte. Im Bereich der Wortschatzüberprüfung etwa wird nicht transparent dargestellt, warum gerade die Farbkenntnisse überprüft werden (vgl. ebd.). Wagner selbst führt dazu aus dass damit auch die Wahrnehmungs- und Differenzierungsfähigkeiten des Kindes überprüft werden (vgl. Wagner 2008, S.71).

 

ESGRAF-MK – Evozierte Diagnostik grammatischer Fähigkeiten für mehrsprachige Kinder

Zielsetzung und Theoretische Grundlage

Die ESGRAF-MK nach Motsch (2011)  ist ein informelles, computergestütztes Verfahren zur Erfassung der grammatischen Fähigkeiten von vier bis zehnjährigen Kindern mit den Erstsprachen Türkisch, Russisch, Polnisch, Italienisch sowie Griechisch (vgl. Lengyel 2012, S.25). Es wurde in erster Linie für die sprachheilpädagogische Verwendung konzipiert, kann jedoch auch als Sprachstandserhebung im Vorschulalter in Kindergärten und Kindertagesstätten eingesetzt werden (vgl. Motsch 2011, S.8). ESGRAF-MK zielt darauf, zwischen Kindern, die entweder unzureichende Kenntnisse in ihrer Erst- und bzw. oder Zweitsprache, oder aber eine spezifische Sprachentwicklungsstörung aufweisen, zu unterscheiden (vgl. Motsch 2013, S.259). Dieses Diagnostikverfahren betrachtet ausschließlich die morphologisch-syntaktischen Fähigkeiten und basiert auf der Theorie, dass „die wesentlichen grammatischen Regeln in allen Sprachen der Welt bereits in den ersten drei Jahren erworben werden“ (Motsch 2011, S.9)  und dass diese Fähigkeiten ab dem fünften Lebensjahr eines Kindes ein „valider Indikator für eine SSES“ (ebd.) sein können.  ESGRAF-MK erfüllt nicht die testdiagnostischen Gütekriterien, sondern basiert vielmehr auf relevanten Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung (vgl. Lengyel 2012, S.26).


Testzusammensetzung

Die ESGRAAF-MK überprüft die morphologischen Strukturen Genus, Numerus, Subjekt-Verb-Kongruenz sowie Kasus. Des Weiteren sind auch syntaktischen Strukturen des Haupt- und des Nebensatzes Inhalt der Diagnostik. Das zugehörige Manual liefert eine kompakte Einführung in die morpho-syntaktische Struktur der jeweils zu überprüfenden Sprache ein und enthält weitere Hinweise zur Durchführung und Interpretation der Ergebnisse (vgl. Lengyel 2012, S.26). Mit bestimmten Aufforderungen oder Fragen werden im Diagnostikverlauf gezielte Antworten seitens des Kindes evoziert, die eine spezifische Produktion der jeweils im Fokus stehenden grammatischen Struktur voraussetzen. In den Aufgaben werden nur solche Merkmale verwendet, welche die einsprachigen Testpersonen eindeutig identifizieren können. Voraussetzung dafür ist eine Einarbeitung in ebendiese Merkmale seitens der Testperson mithilfe des Manuals, welche die notwendigen Informationen bietet (vgl. ebd.).


Durchführung und Auswertung

Ähnlich wie bei SCREEMIK 2 hat auch hier der Prüfer die Aufgabe, die Äußerungen des Kindes mit „richtig“, „falsch“ oder „nicht auswertbar“ zu bezeichnen. Auf dem Bildschirm werden passend zur jeweiligen Aufgabe Bilder gezeigt, die eine Antwort seitens des Kindes hervorlocken sollen. Insgesamt beträgt die Durchführungsdauer zehn bis zwölf Minuten. Die Auswertung nimmt das Programm in Form einer prozentualen Berechnung falsch gegebener Antworten pro grammatischer Regel durch (vgl. Motsch 2013, S.259).


Möglichkeiten und Grenzen

Dieses Instrument eignet sich gut für die Identifizierung jener grammatischen Merkmale, die Kinder in ihren nicht deutschen Erstsprachen aufweisen und somit noch erwerben müssen. Allerdings muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass die Erkenntnisse zum Erstspracherwerb in den hier vorliegenden Sprachen bezogen auf den mehrsprachlichen Kontext nur unzureichend erforscht sind und für ESGRAAF-MK  auf die existierende Forschung aus den Herkunftsländern zurückgegriffen wurde (vgl. ebd.). Für eine umfassende Diagnostik sämtlicher sprachlicher Ebenen, in der also auch über die morpho-syntaktische Dimension hinausgegangen wird, sollten weitere Instrumente hinzugezogen werden (vgl. Lengyel 2012, S.26).

 

Sismik – Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen


Zielsetzung und Theoretische Grundlage

Sismik (Ulich& Mayr 2003) ist ein „prozessbegleitendes Beobachtungsinstrument“, das für Kinder mit Migrationshintergrund im Alter von dreieinhalb bis sechs Jahren entwickelt wurde (Lengyen 2012, S.27f.).  Es zielt auf eine Beobachtung dieser Kinder in alltäglichen Situationen hin und setzt dabei seinen Fokus auf eine systematische Begleitung der beobachteten Sprachaneignungsprozesse im Deutschen. Die Familiensprachen der Kinder werden hingegen nur ansatzweise berücksichtigt. Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist in erster Linie nicht die Erfassung der Sprachkompetenz an sich, sondern vielmehr eine Analyse der Sprachmotivation eines Kindes und sein Interesse und Beteiligungsverhalten an sprachlichen Interaktionen. Sismik beruht auf der theoretischen Grundlage, dass diese Faktoren als Voraussetzung zu sprachlichen Lernerfahrungen führen (vgl. ebd.).


Testzusammensetzung

Der Beobachtungsbogen setzt sich insgesamt aus vier Teilen zusammen:
-Sprachverhalten in verschiedenen Situationen: Das Kind wird in unterschiedlichen Kommunikationssituationen beobachtet. Zu ihnen können beispielsweise Interaktionsmomente mit anderen Kindern, Freispielsituationen oder Gespräche mit Bezugspersonen zählen. Der Fokus wird dabei auf das Interesse des Kindes an diesen Situationen sowie seine Beteiligungsaktivität gelegt (vgl. Baltrusch & Knisel-Scheuring 2011, S.5).
- Sprachliche Kompetenz im engeren Sinne: In diesem Teil werden sowohl das Sprachverständnis als auch die Sprachproduktion in all ihren Modalitäten beobachtet. Im Bereich der Grammatik orientiert sich der Bogen „an Erkenntnissen aus der Kindersprachforschung“ (vgl. ebd.). Des Weiteren werden „typische Phänomene des Zweitspracherwerbs (ebd.) festgehalten.
-Die Familiensprache des Kindes: Zur Erarbeitung dieses Beobachtungskapitels ist eine Zusammenarbeit mit den Eltern dringend notwendig. Ziel ist es, einen Einblick in die Aneignungsprozesse des Kindes in seiner Familiensprache zu erhalten (vgl. ebd.).
-Das Kind in seiner Familie: In diesem Teil werden schließlich Informationen über die soziale und sprachliche Lebenswelt des Kindes gesammelt, um die restlichen durch sismik gewonnen Informationen vor dem Hintergrund der individuellen Lebenswelt betrachten zu können. Gleichzeitig sollen damit bessere Fördermöglichkeiten gefunden werden, die in Kooperation mit den Eltern des Kindes in seinen Alltag integriert werden können. Demnach ist auch hier eine Zusammenarbeit mit den Eltern zum Erhalt dieser Informationen unabdingbar (vgl. ebd.).


Durchführung und Auswertung

Die Beobachtung des Kindes soll in einem längeren Zeitraum durch die pädagogischen Bezugspersonen in der Kindertagesstätte durchgeführt werden. Wichtig ist hierbei, dass mehrere Situationen in die gesamte Beobachtung einfließen, bevor die Einschätzungen schließlich im Protokollbogen festgehalten werden (vgl. ebd.). Das Mitgelieferte Begleitheft führt sowohl in den Aufbau als auch in die Anwendung des Instrumentes ein. Des Weiteren sind Fallbeispiele aufgeführt, an denen die Förderungsplanung exemplarisch veranschaulicht wird. Neben der qualitativen Auswertung, die sich allein am jeweiligen Kind orientiert, ist auch eine quantitative Auswertung möglich. Dabei werden die vom Kind erreichten Werte mit geschlechts- und altersspezifische Bezugsnormen in Verhältnis gesetzt (vgl. ebd.).


Möglichkeiten und Grenzen

Mit Sismik kann ein Beitrag zur Professionalisierung der sprachpädagogischen Arbeit in Kindertagestätten geleistet werden.  Die Vorteile dieses Beobachtungsinstrumentes liegen in seiner praxisfreunlichen Gestaltung und guten Umsetzbarkeit im pädagogischen Alltag (vgl. Lengyel 2012, .28f.). Der sprachliche Aneignungsprozess kann mit Sismik gut und vor allem umfassend dokumentiert werden. Gerade weil Sismik eine so vielseitige Beobachtung des Kindes in seinen unterschiedlichsten Alltagsmomenten erfordert, kann es die jeweils zuständigen Personen für den Sprachaneignungsprozess an sich sensibilisieren. Gleichzeitig tun sich bei einer dermaßen detailreichen Betrachtung viele Möglichkeiten der Förderung auf, die im sonst so stressigen Alltag untergegangen wären. Aus wissenschaftlicher Sicht wird jedoch angemerkt, dass sowohl die  zurzeit enthaltenen Items zur Erfassung des Hörverstehens als auch die quantitative Auswertung einer Optimierung bedarf.  


HAVAS 5 – Das Hamburger Verfahren zur Analyse des Sprachstands Fünfjähriger

Zielsetzung und Theoretische Grundlage

HAVAS 5  nach den Autoren Reich und Roth (2004) ist ein kompetenzorientiertes Verfahren, das den Sprachstand von fünf- bis sechsjährigen Kindern in ihren Erst- und Zweitsprachen ermittelt. Es liegt in den Sprachen Deutsch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch und Türkisch vor und ermöglicht, einen Einblick in die aktuelle sprachliche Entwicklungsphase zu erhalten (vgl. Lengyel 2012, S.31ff.).


Testzusammensetzung

Der HAVAS enthält eine sechsteilige Bildergeschichte, die gemeinsam mit umfassenden Auswertungsbögen und –hinweisen geliefert werden. Für die Durchführung werden weiterhin ein Aufnahmegerät sowie ein Mikrofon benötigt (vgl. ebd.).


Durchführung und Auswertung

Die Erhebung stellt eine quasinatürliche Kommunikationssituation dar und nimmt in Abhängigkeit zur Gesprächsbereitschaft des Kindes drei bis sechs Minuten in Anspruch (vgl. ebd.). Zu Beginn sollte mit dem Kind ein Vorgespräch geführt werden, das ebenfalls aufgezeichnet und schließlich gemeinsam angehört werden kann. Anschließend wird die Aufmerksamkeit des Kindes auf den Erzählimpuls gelenkt, indem es gebeten wird, sich die Bilder anzusehen. Mit der Einstiegsfrage „Was passiert hier?“ oder „Was ist hier los?“ wird das Kind aufgefordert, etwas zu den Bildern zu erzählen. In dieser Phase hat die testdurchführende Person sich zurück zu nehmen und den Erzählfluss nicht durch Kommentare oder Nachfragen zu beeinflussen. Schließlich können die einzelnen Bilder erneut gemeinsam betrachtet werden. Durch weitere gezielte Nachfragen wird das Kind in diesem Abschnitt der Testdurchführung indirekt aufgefordert, die Pointe der Geschichte zu versprachlichen und einen Perspektivwechsel durchzunehmen (vgl. ebd,).
Die anschließende Auswertung nimmt wiederum 30 bis 40 Minuten in Anspruch und enthält eine Transkription des Gespräches sowie eine Analyse der kindlichen Äußerungen anhand der Auswertungsbögen. Diese beinhalten neben einer quantitativen Bewertung aller Basisqualifikationen noch die Einschätzung der syntaktischen Fähigkeiten wie die Verbzweitstellung im Hauptsatz und die Verbendstellung im Nebensatz, aber auch die Nutzung von Präsens und Perfekt oder von Konjunktionen. Hinzu kommen jedoch auch eine differenzierte Betrachtung des kindlichen Gesprächsverhaltens sowie eine qualitative Untersuchung der Aufgabenbewältigung, in der beispielsweise die Verständlichkeit und die sprachlichen Darstellungen des Kindes eine Rolle spielen (vgl. ebd.).


Möglichkeiten und Grenzen

Die Besonderheit bei HAVAS 5 liegt darin, dass die Bereiche ‚Gesprächsverhalten‘ und ‚Aufgabenbewältigung‘ sprachenübergreifend betrachtet werden können. Damit kann überprüft werden, in welcher der getesteten Sprachen das Kind seine Stärken und Schwächen aufzeigt, und in welcher es im Umkehrschluss gefördert werden muss. HAVAS 5  kann mit einer vertieften qualitativen Analyse auch aufzeigen, welche Strategien ein Kind in sein Sprachgebrauch integriert, um beispielsweise neue Wörter zu erwerben oder Verständnisfragen zu stellen. Diese können, soweit sie erkannt werden, schließlich in den Förderprozess eingebaut werden. Die quantitativen Werte der restlichen Bewertungskategorien können mitsamt der vertiefenden Beobachtungen in ein differenziertes Sprachprofil eingetragen werden, das für jede der angegebenen Sprachen vorliegt. Die vom jeweiligen Kind beherrschten Sprachen werden damit ins Verhältnis zueinander gesetzt und verglichen, bevor eine Förderung geplant wird. Die Kompetenzorientierung des HAVAS 5 ermöglicht einen tiefen Einblick in die Fähigkeiten eines Kindes, die vor allem dadurch verstärkt wird, dass in der Erhebung die natürliche Alltagssprache des Kindes erhoben wird, die keiner statischen Testaufgabe im Sinne eines ‚Frage-Antwort-Spiels‘ unterworfen ist. Das Kind wird damit dort abgeholt, wo es sprachlich steht. Anzumerken ist jedoch, dass die diagnostizierende Person für eine umfassende Analyse der nicht-deutschen Sprache Kompetenzen in ebendieser Sprache aufweisen sollte, um die Förderung schließlich auch gewährleisten zu können (vgl. ebd.). Inwieweit dies in Anbetracht der noch recht geringen Zahl an mehrsprachigen pädagogischen und Therapeutischen Fachpersonals aber realisierbar scheint, ist fraglich.


Diskussion

Wie bereits dargestellt, hat eine adäquate Sprachdiagnostik mehrere Kriterien zu erfüllen. Diese reichen von der Erfüllung von testtheoretischen Standdarts über eine Ressourcenorientierung bis hin zur Orientierung an der gesprochenen Sprache (siehe Kapitel…). Für eine Diagnostik im Kontext von Mehrsprachigkeit ist jedoch auch eine personale Orientierung gefordert, bei der das jeweilige Kind mit seinen individuellen Voraussetzungen und Entwicklungsbedingungen im Mittelpunkt steht. An dieser Stelle der Arbeit soll nun betrachtet werden, ob die zuvor dargestellten Verfahren zur Sprachstandserhebung diesen Kriterien entsprechen.
Im Fall des SCREEMIK2 ist zunächst einmal festzuhalten, dass der Test explizit an mehrsprachigen Kindern normiert wurde. Es wird mit diesem Screening ein guter erster Einblick in die Sprachentwicklung eines mehrsprachigen Kindes gegeben, der jedoch durch weitere umfassende Tests ergänzt werden sollte. Fraglich ist grundsätzlich, ob computergestützte Verfahren einer umfassenden Spracheinschätzung gerecht werden können, da sie um Grunde nicht Kommunikationsorientiert sind. Die gleiche Anmerkung ist auch beim Verfahren ESGRAF MK zu machen. Dieser Test eignet sich zwar gut zur Einschätzung der grammatikalischen Fähigkeiten, ist in seiner Konzeption jedoch nicht normiert. Stattdessen basiert er auf theoretischem Wissen aus der linguistischen Forschung in den jeweiligen Sprachen. Problematisch ist nun aber, dass die grammatische Entwicklung bei Mehrsprachigkeit grundsätzlich wenig erforscht ist (vgl. Lengyel 2012, S.26). In diesem Verfahren nimmt das Kind mit seiner individuellen Sprachbiographie nur eine geringe Rolle in der Diagnostik ein. Sismik hingegen zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es als Beobachtungsverfahren nicht unbedingt auf eine klinische Diagnostik zielt, sondern vielmehr Voranalysen zur anschließenden Förderplanung anstellt. Das Kind wird dabei vielseitig und vor allem langfristig beobachtet. Die Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten basiert damit nicht auf einer alleinigen Momentaufnahme, sondern setzt sich aus vielen unterschiedlichen Beobachtungen zusammen. Positiv ist auch die vom Konzept verlangte Kooperation mit den Eltern zu sehen. Eine Korrektur des quantitativen teils wird jedoch mehrfach in der Literatur gefordert (vgl. Lengyel 2012, S. 29.).Zuletzt ist das HAVAS 5 einzubringen, welches sich vor allem dadurch auszeichnet, dass es seine Erhebung als eine quasinatürliche Kommunikationssituation auslegt. Das Kind wird somit in seinem normalen Sprachverhalten beobachtet und muss sich nicht dem Klassischen Frage-Antwort-Schema anpassen. Nicht nur die sprachlichen Fähigkeiten an sich, sondern auch das Sprechverhalten werden, und zwar Sprachenübergreifend- in diese Diagnostik integriert. Mit dieser Methode kann vor allem ein Einblick darin gewonnen werde, in welcher Sprache sich das Kind vielleicht wohler fühlt, wo es die größeren Ressourcen hat und wo es in seiner Erzählstruktur eher hadert. HAVAS 5 ist damit sehr Kompetenzorientiert. Problematisch ist jedoch, dass eine adäquate Analyse des mit diesem Verfahren erhobenen Materials im Idealfall durch eine Fachkraft vollzogen wird, welche die erhobene Zweitsprache ebenfalls beherrscht. Obwohl dieses Kriterium- nicht nur im Fall von HAVAS, sondern grundsätzlich- als sehr sinnvoll erscheint, stellt sich dennoch die Frage nach der reellen Umsetzung dieses Anspruchs.

 


Literatur

Baltrusch, C., Knisel-Scheuring, G. (2011). Qualifizierung von Sprachförderkräften in Rheinland-Pfalz. Selbstlernmaterialien zu Modul 4. Beobachtung und Dokumentation von Sprache und Sprachentwicklung. Zugriff am 16.10.2016 unter www.sprachfoerderkraefte.de/pdf/Endversion_SLM4_26-11-09.pdf.

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, (2013). Bundesamt in Zahlen 2013. Zugriff am 05.10.2016 unter http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschuerenbundesamt-in-zahlen-2013.html?nn=1367528.

Kracht, A. (2012). Interkulturalität und Mehsprachigkeit. In Braun, O., Lüdtke, U. (Hrsg.), Sprache und Kommunikation. Enzyklopädisches Handbuch der Behindertenpädagogik (S. 577-581). Stuttgart: Kohlhammer.

Lengyel, D. (2012). Sprachstandsfestellung bei mehrsprachigen Kindern im Elementarbereich. Eine Expertise der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). München: Deutsches Jugendinstitut e.V..

Motsch, H.-J. (2011). ESGRAF-MK. Evozierte Diagnostik grammatischer Fähigkeiten für mehrsprachige Kinder. Mit Diagnostik-Software auf CDROM. München.

Motsch, H.-J. (2013). Diagnostik und Therapie mehrsprachiger Kinder mit Spezifischer Sprachentwicklungsstörung. Assessment and intervention for multilingual children with specific language impairment. Logos, 21, Ausg. 4, 255 – 263.

Reich, H.-H., Roth, H. -J. (2004). Das Hamburger Verfahren zur Analyse des Sprachstands 5-jähriger – HAVAS 5. Hamburg: Landesinstitut für Lehrerbildung.
 
Schulz, P. (2013). Sprachdiagnostik bei mehrsprachigen Kindern. Language Assessment in Multilingual Children. Sprache • Stimme • Gehör, 2013, 3, 191–195.

Schulz, P., Tracy, R. (2011). LiSe-DaZ® Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache. Göttingen.

Statistisches Bundesamt (2009). Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2005. Wiesbaden.

Triarchi-Herrmann, V. (2009). Zur Förderung und Therapie bei Mehrsprachigkeit. In: Spektrum der Patholinguistik, 2, 31-50.

Ulich, M., Mayr, T. (2003). Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen – sismik. Freiburg im Breisgau.

Wagner, L. (2008). SCREEMIK 2 – Screening der Erstsprachfähigkeit bei Migrantenkindern. Russisch- Deutsch. Türkisch-Deutsch. Manual und CD-ROM. München.

Wagner, L. (2010). Screening der Erstsprachfähigkeit bei Migrantenkindern – SCREEMIK 2 als differenzialdiagnostisches Abgrenzungsmittel für russisch-deutsche und türkisch-deutsche Kinder. In: Sprachheilarbeit, 2, 54-64.

Wagner, L. (2015). Diagnostik und Therapie bei mehrsprachigen Kindern. Sprachtherapie aktuell. Themenschwerpunk: Aus der Praxis für die Praxis, 2015, 2, Seitenzahl unbekannt.

 


Sprachstandsüberprüfung und Förderdiagnostik für Ausländer- und Aussiedlerkinder (SFD)

Autoren des hier vorgestellen Verfahrens: Anna Hobusch, Nevin Lutz und Uwe Wiest  (1999)

Text von stud. paed. Lenya Vaßen

Bestandteile:
 
  * Listenpunkt
Manual-Heft: Eine allgemeine Erläuterung des Tests
  * Listenpunkt
Heft SFD 1: 1. Schuljahr; Testmaterial, Erklärung der Durchführung und der Auswertung.
  * Listenpunkt
Heft SFD 2: 2. Schuljahr; Testmaterial, Erklärung der Durchführung und der Auswertung.
  * Listenpunkt
Heft SFD 3/4: 3. und 4. Schuljahr; Testmaterial, Erklärung der Durchführung und der Auswertung.
  * Listenpunkt
14 Bildkarten
  * Listenpunkt
13 Auswertungsfolien
  * Listenpunkt
2 Audio-CDs: Wortschatztest  in  nichtdeutscher Erstsprachen

 

Zielgruppe

Der Test richtet sich an mehrsprachige Kinder von der 1.-4. Klasse.

 

Einsatzart

Im ersten Schuljahr findet der Test in Form einer Einzelüberprüfung statt, die Tests der zweiten, dritten und vierten Klasse können in Kleingruppen durchgeführt werden.

 

Ziel

Der Test dient zur Diagnose der Lern- und Sprachausgangslage von mehrsprachigen Kindern. Er soll überprüfen, in wieweit die Sprachkompetenzen in der deutschen Sprache im gleichen Maße wie bei monolingual deutschsprachigen Kindern entwickelt sind. Außerdem soll mit Hilfe des Tests diagnostiziert werden, ob eine Sprachentwicklungsstörung vorliegt oder ob die gegebenenfalls geringeren Sprachkompetenzen in der deutschen Sprache auf die Mehrsprachigkeit des Kindes zurückzuführen sind. Somit soll quantitativ der Förderbedarf und qualitativ der Förderinhalt jedes Kind bestimmt werden.

 

Inhaltlicher Aufbau

Der Inhalt der Sprachstandsüberprüfung bezieht sich auf den Wortschatz, die Farbkenntnisse, die Präpositionen, die Artikel, den Singular und den Plural, das Text- und Hörverständnis und die mündliche Sprachproduktion; somit wird der passive Wortschatz, die richtige grammatikalische Anwendung und die verbalen Ausdrucksfähigkeiten überprüft.

 

Durchführung

Die Durchführung des Tests dauert 30 bis 50 Minuten. Es ist wichtig, dass bei der Durchführung eine entspannte, freundliche Atmosphäre besteht und das Kind nicht unter Zeitdruck gesetzt wird. Der Test darf auch unterbrochen werden. Der SFD 1 wird mit jedem Kind einzeln durchgeführt, die SFD 2,3 und 4 werden in Gruppen durchgeführt. Wenn der Test in einer Gruppe durchgeführt wird, soll jedes Kind seinen Namen und die Sprachen, die es spricht, aufschreiben. Die Aufgabenstellungen werden zu Beginn in der Gruppe besprochen und es wird gemeinsam ein Aufgabe an der Tafel gelöst. Falls die Lesekompetenz der Kinder den Aufgaben nicht genügt, werden sie ihnen vorgelesen.

 

SFD 1: Test für die 1. Klassenstufe
 
Wenn Fachkräfte den Test durchführen, die die Kinder nicht kennen, sollten sie im zunächst im Unterricht hospitieren, so dass ein Vertrauensverhältnis zwischen Fachkraft und Kind entsteht.
Zuerst wird der Wortschatz ermittelt: Dem Kind werden nacheinander sechs Bildkarten mit jeweils vier Bildern in 12 Durchgängen vorgelegt. Insgesamt werden ihm dazu 72 Wörter genannt, die es jeweils einem Bild auf den Bildkarten zuordnen muss. Wenn das Kind Probleme hat, den Begriff dem richtigen Bild zuzuordnen, wird mit Hilfe der mehrsprachigen CD überprüft, ob dies dem Kind auch in seiner Erstsprache Schwierigkeiten bereitet. Sollte am Ende des Wortschatztestes sichtbar werden, dass das Kind weder in seiner Muttersprache noch in der deutschen Sprache einen Begriff einem Bild zuordnen kann, wird der Gesamttest beendet.
Im andern Fall folgt als nächstes die Farberkennung. Es werden dem Kind 10 farbige Gegenstände gezeigt, deren Farben es benennen soll.
Anschließend findet die Hörverständnisübung statt, bei der dem Kind eine Bildkarte mit 12 Bildern vorgelegt wird und 12 Sätze vorgelesen werden, die es jeweils einem Bild zuordnen soll. Danach wird dem Kind ein Text vorgelesen, zu dem es mündlich sieben Fragen beantworten soll.
Mit Hilfe einer Handpuppe und einer Bildkarte mit 12 Bildern wird im Folgenden der Gebrauch von Singular und Plural getestet. Dabei zeigt die Handpuppe auf eins der Bilder, auf dem ein Haus zu sehen ist, und sagt: „Das ist ein Haus“. Daraufhin zeigt sie auf das zweite Bild, auf dem viele Häuser zu sehen sind, und sagt einen Satz mit einem nicht abgebildeten, also falschen Nomen im Plural; das Kind hat die Aufgabe den Satz zu korrigieren.
Um die Präpositionen zu testen, bekommt das Kind ein Kuscheltier in die Hand und es erhält die Anweisung, den Teddy z.B. unter, hinter, auf oder neben den Stuhl zu setzen. Dem folgt als Umkehrung der Aufgabe, dass der Teddy im Raum bewegt wird und das Kind sagen muss, wo der Teddy sitzt.
Abschließend wird dem Kind eine Bildergeschichte mit Hilfe von fünf Bildern auf drei Bildkarten gezeigt, zu der es eine Geschichte erzählen soll, die protokolliert wird.

SFD 2: Test für die 2. Klassenstufe

Um den Wortschatz zu überprüfen, werden den Kindern sechs Bildkarten mit sechs gleichen Folgen von jeweils vier verschiedenen Bildern vorgelegt; dazu werden ihnen 30 Wörter genannt, die sie jeweils zu dem passenden Bild zuordnen sollen.
Dem folgt die Überprüfung in Bezug auf die Präpositionen. Die Kinder bekommen zwei Bildkarten mit jeweils fünf Bildern, auf denen anhand einer Katze und eines Bettes die unterschiedlichen Präpositionen bildlich dargestellt sind; die Kinder sollen die richtige der vier neben dem Bild stehenden Präpositionen ankreuzen.
Anschließend erhalten die Kinder 18 Bilder, neben den jeweils die drei Artikel stehen, die sie einkreisen müssen.
Abschließend wird den Kindern eine Bildergeschichte mit sechs Bildern in der richtigen Reihenfolge vorgelegt, zu denen sie eine Geschichte erzählen sollen. Dieser Teil des Tests wird  mit jedem Kind einzeln durchgeführt.

 

SFD 3/4 : Test für die 3./ 4. Klassenstufe

Um die Kompetenz im Bereich Wortschatz zu diagnostizieren, wird den Kindern ein Begriff vorgelesen, zu dem sie einen der weiteren vier vorgelesenen Begriffe zu ordnen sollen. Während hier in der dritten Klassenstufe 16, in der vierten Klassenstufe 27 Begriffe vorgelesen werden, ist der restliche Test sonst für beide Klassenstufen identisch.
Bei der Überprüfung der Präpositionen werden den Kindern 10 Sätze mit fehlenden Präpositionen vorgelegt, die passende Präposition soll jeweils in die Lücke eingesetzt werden.
Danach bekommen die Kinder einen Lückentext, in den sie die fehlenden Artikel einsetzen sollen.
Um das Hörverständnis zu überprüfen, wird den Kindern ein Text vorgelesen, zu dem sie 6 Fragen beantworten sollen. Zu jeder Frage gibt es vier vorgegebene Antworten, das Kind soll die richtige Antwort ankreuzen.
Schließlich wird den Kindern die gleiche Bildergeschichte, mit der gleichen Aufgabenstellung wie bei SFD 2 gegeben.

 

Auswertung

Die Auswertung des Testes dauert ca. 45 Minuten. Es gibt drei verschiedene Sprachkategorien, denen die Kinder pro Aufgabe zugeordnet werden, um ihre Sprachfähigkeiten zu festzustellen und sie innerhalb der Bezugsgruppe zu vergleichen. Die richtigen Ergebnisse werden pro Aufgabe addiert und den entsprechenden Prozentzahlen aus den Normtabellen, die für die vier Klassenstufen unterschiedlich sind, zugeordnet. Je nach Prozentrang wird das Kind bei jeder Aufgabe einer der drei Sprachkategorien zugeteilt.
I. Die sprachlichen Kompetenzen des Kindes sind zu gering, um dem Regelunterricht zu folgen, eine Fördermaßnahme im Bereich Deutsch als Zweitsprache sollte außerhalb des Regelunterrichts stattfinden.
II. Das Kind kann dem Unterricht mit geringen Einschränkungen folgen, es sollte jedoch weiterhin eine Förderung, besonders in Wortschatz und Grammatik, stattfinden. Die Beherrschung der Basic Interpersonal Communicative Skills (BICS) führt zu einer Überschätzung der Sprachkompetenz des Kindes und die fehlenden Kompetenzen in der Cognitive Academic Language Proficiency (CALP) haben eine ständige Verunsicherung des Kindes zur Folge; es kommt zu „Aufmerksamkeitsstörungen, Lernproblemen und zu Verhaltensschwierigkeiten“.
III. Die Sprachkompetenzen lassen das Kind ohne Einschränkungen am Unterricht teilnehmen, es kann trotzdem weiterhin eine binnendifferenzierende Förderung stattfinden.
Die jeweils letzte Aufgabe, die Nacherzählung der Bildergeschichte, wird von der Fachkraft individuell ausgewertet. Für die 2., 3. und 4. Klassenstufe kommt noch folgende zweite Auswertungsmöglichkeit hinzu: Nach der Auswertung der Ergebnisse werden die Kinder entsprechend den erreichten Prozenten in vier Gruppen eingeteilt, sodass man eine gute Übersicht hat, in welchem Leistungsviertel sich das Kind befindet.

 

Positive Aspekte

Der Test für die 1. Klassenstufe weist eine hohe Korrelation zwischen den Resultaten des Wortschatztests und den anderen Untertests auf, was auf eine hohe Reliabilität hinweist.
Der Test ist ökonomisch vorteilhaft, da durch seine schnelle und einfache Durchführbarkeit und Auswertung nur ein geringer Zeitaufwand besteht; man bekommt einen schnellen Überblick über die Sprachkompetenzen des Kindes. Außerdem können die mündlichen Sprachkompetenzen unabhängig von den Lese- und Schreibkompetenzen gemessen werden. Der Test gilt als weitestgehend objektiv, da es durch die Mehrfachwahlaufgaben eine hohe Anwendungs- und Beurteilungsübereinstimmung gibt. Durch die Möglichkeit den Wortschatztest mit Hilfe einer CD auf türkisch, russisch, polnisch, persisch, kroatisch/serbisch, kurdisch, tamilisch, spanisch, englisch, italienisch, arabisch, portugiesisch, griechisch, französisch und albanisch durchzuführen, können auch monolinguale deutschsprachige Personen den mehrsprachigen Teil des Testes anleiten.

 

Kritik

Der Test beinhaltet zwar eine Normierung, diese hält den standardisierten Gütekriterien jedoch nicht stand. 1048 Kinder haben bei der Erhebung zur Schaffung der Testnorm teilgenommen, aufgeteilt auf die vier Tests ist dieses jedoch eine geringe Zahl an Probanden.
Es findet ein reines Abfragen von Lösungen statt, was häufig in geschlossenen Aufgaben geschieht; dies kann sich demotivierend auf die Kinder auswirken und damit ihre Leistungen negativ beeinflussen. Außerdem ist das Bildmaterial nicht sehr anschaulich und klar. Der Test der 3. und 4. Klassenstufe ist bis auf die erste Aufgabe identisch, in der Auswertung unterscheiden sie sich jedoch. Dies ist nicht hinreichend, da in der 3. und 4. Klassestufe jeweils ein anderer Standard von Kompetenzen herrscht. Außerdem fehlt in der 3. und 4. Klassenstufe die Diagnostizierung der schriftsprachlichen Kompetenzen. Die Konzentration auf die Mündlichkeit ist einerseits positiv zu bewerten, sie ist jedoch andererseits nicht ausreichend um die Sprachkompetenzen eines Kindes in der 3. und 4. Klasse zu erfassen. In den Tests werden keine kulturellen Besonderheiten beachtet, d.h. die Mehrsprachigkeit wird nur unzureichend in den Test integriert. Da es nur für den Wortschatztest der 1. Klassenstufe die Möglichkeit der Durchführung in mehreren Sprachen gibt und diese Aufgabe zu einfach ist, um die Sprachkompetenzen zu überprüfen, ist die Diagnose der Sprachkompetenzen in der Erstsprache bei mehrsprachigen Kindern nicht hinreichend. Die Schwierigkeiten, die ein Kind gegebenenfalls in seiner Erstsprache hat, können nicht diagnostiziert werden. Außerdem kann es zu Fehldiagnosen kommen, wenn der Anfang des ersten Tests von einer Lehrkraft mit fehlenden Sprachkenntnissen der Testsprache durchgeführt wird, da die Lehrkraft die unterschiedlichen Dialekte in der jeweiligen Sprache nicht berücksichtigen kann. Es könnte sein, dass ein Kind die Wörter auf der CD nicht versteht, da es sich in seiner Erstsprache eines anderen Dialektes bedient; im Kurdischen gibt es z.B. ca. 29 verschiedene Dialekte. Die Lehrkraft würde dies jedoch nicht bemerken und zu der Diagnose kommen, dass das Kind sowohl in seiner Erst- als auch in seiner Zweitsprache nicht auf dem Kompetenzniveau wie seine Mitschüler ist. Dies könnte zu der Fehldiagnose führen, dass das Kind eine Spracherwerbsstörung hat.
Die einmalige Überprüfung der Sprachkompetenzen können zu ungenauen Diagnosen führen, da die Testergebnisse durch die Beeinflussung der Umwelt, aber auch durch die spezifische psychische und physische Verfassung des Kindes während des Testes verfälscht werden können. Aber auch die Wiederholung der gleichen Aufgaben würde nicht zu einer genauen Diagnose führen, vielmehr wäre eine Durchführung mit ähnlichen Aufgaben notwendig, um eine genauere Diagnose zu erhalten.

 

Weblinks

Jeuk; Stefan: Sprachstandsfeststellung bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache im Hinblick auf eine Aufnahme in eine Vorbereitungsklasse an der Grundschule. (abgerufen am 06.06.2013)

http://www.ph-ludwigsburg.de/fileadmin/subsites/2b-spze-t-01/user_files/Service/VwV_DaZ_Sprachstand_2.pdf.

 


LiSe-DaZ (Linguistische Sprachstanderhebung – Deutsch als Zweitsprache)


Text von stud. paed. Raja-Antaria Walczak

Der LiSe-Daz ist ein Sprachstanderhebungstest, der den sprachlichen Entwicklungsstand von Kindern im Alter von 3 bis 7 Jahren im Deutschen erfassen soll. Er wurde vor allem für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache (Normierung: 3,00 bis 7,11 Jahre) konzipiert, lässt sich jedoch auch für die Sprachstanderhebung von Kindern mit Deutsch als Muttersprache (Normierung: 3,00 – 6,11 Jahre) einsetzen. Der Test versucht sich an den relevanten Eigenschaften der deutschen Sprache zu orientieren.
LiSe-DaZ testet deshalb die sprachlichen Kenntnisse im syntaktischen, morphologischen und semantischen Bereich, sowie die Produktions- und Verstehensfähigkeit vom Deutschen. Sprachliche Aspekte wie die Aussprache, Unregelmäßigkeiten im Deutschen, z.B. im Plural oder bei Veränderung der Stammverbform, sowie der Wortschatz, werden nicht bewertet.
Das Manual bietet eine ausführliche Beschreibung von Fördermaßnahmen, um die Kinder gezielt weiterführend zu unterstützen, sollte ein Förderbedarf vorliegen.
Die Testung erfolgt in einer Zweiersituation (Einzeltestung) und dauert 20 bis 30 Minuten. Anhand von 912 Kindern aus 8 Bundesländern, davon 609 Kinder mit Deutsch als Zweitsprache und 303 mit Deutsch als Muttersprache, erfolgte die Normierungsstichprobe.

 

Allgemeines zum LiSe-DaZ

Der Test entstand vor dem Hintergrund der Bildungssituation von Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland. Sprachliche Aspekte stellen einen Hauptgrund für die Benachteiligung der Kinder im deutschen Bildungssystem dar, denn die Sprachbeurteilung eines Kindes kann sowohl positive, als auch negative Folgen für die weitere Schullaufbahn haben. LiSe-DaZ dient deshalb einerseits der Sprachstanderhebung, andererseits der Entwicklung von Förderperspektiven für die Kinder, um der Bildungsbenachteiligung entgegenzuwirken.
Die Testung kann von AnwenderInnen unterschiedlicher Berufe vollzogen werden, so richtet sich die Testanleitung an LehrerInnen, pädagogisches Fachpersonal, PsychologInnen, LogopädInnen, ÄrztInnen oder SprachwissenschaftlerInnen. Aus diesem Grund befindet sich auch eine ausführliche Erklärung der Grundlagen der deutschen Grammatik für „fachfremde“ Personen in der Testanleitung.

 

Für welche Gruppe von Kindern wurde LiSe-DaZ entwickelt und normiert?
 
Der Test wurde vor allem für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache entwickelt. LiSe-DaZ wurde in einem Zeitraum von 3 Jahren entwickelt und dabei von 1057 Kindern erprobt,  851 mit DaZ im Alter von 3,00 bis 7,11 und 206 Kinder mit DaM ebenfalls im Alter von 3,00 bis 7,11. Die Normierungsstichprobe erfolgte anhand von 912 Kindern. Davon waren 609 ZweitsprachlerInnen (3,00 bis 7,11 Jahre) und 303 MuttersprachlerInnen (3,00 bis 6,11 Jahre). Normiert ist der Test für Kinder mit DaZ, welche mit 24 Lebensmonaten oder später den Erstkontakt mit dem Deutschen hatten. Für die Testung ist es wichtig, dass diese erst nach einer bestimmten Kontaktzeit mit dem Deutschen Sinn macht, bestimmte Grundlagen bei den getesteten Kindern also vorhanden sein müssen. Keine Norm liegt für Kinder vor, die erst mit 48 Monaten oder später mit der deutschen Sprache in Berührung gekommen sind, sowie für Kinder mit zwei Erstsprachen. Im Anleitungsheft wird allerdings betont, dass der Test trotz fehlender Normen eingesetzt werden kann und als Orientierung dienen kann.

Testaufbau und Durchführung
 
LiSe-DaZ ist in zwei Module gegliedert. Das erste Modul Sprachproduktion, setzt sich zusammen aus den Untertests SK- Satzklammer, SVK- Subjekt-Verb-Kongruenz, WK- Wortklassen, und dem Untertest KAS- Kasus. Das zweite Modul erfasst das Sprachverständnis und lässt sich in die Untertests VB- Verstehen der Verbbedeutung, WF- Verstehen von W- Fragen und NEG- Verstehen von Negation einteilen.

Die Untertests werden in folgender Reihenfolge durchgeführt:

1. Sprachverständnis
  * Untertest VB

2. Sprachproduktion

  * Untertest SK
  * Untertest SVK
  * Untertest WK
  * Untertest KAS


3. Sprachverständnis

  * Untertest WF
  * Untertest NEG

Die Durchführung sollte in einer entspannten und angenehmen Atmosphäre geschehen, damit sich das Kind seinen Kenntnissen entsprechend auf den Test einlassen kann. Der testenden Person wird deshalb geraten sich vor der Durchführung mit dem LiSe-DaZ auseinanderzusetzen, ihn ggf. probeweise durchzuführen, um eine entspannte und sichere Durchführung des Tests zu erreichen.
Es stehen verschiedene Protokollbögen zum Festhalten der Äußerungen des Kindes zur Verfügung, diese sind nach Modul, also Sprachverständnis oder Sprachproduktion, strukturiert. Zudem sind  die Protokollbögen in Bögen für DaM und DaZ aufgeteilt, wobei es für das Modul Sprachproduktion auch einen allgemeinen Protokollbogen gibt, welcher sowohl für Kinder mit DaZ als auch für Kinder mit DaM gedacht ist. Auf den Protokollbögen hat die testleitende Person zudem die Möglichkeit Besonderheiten in der Testsituation zu vermerken. So kann z.B. notiert werden, wenn das Kind müde oder wenig/ sehr motiviert war am Test teilzunehmen. Zudem ist wichtig, dass nur der momentan durchgeführte Testteil für das Kind sichtbar ist, um Ablenkung zu vermeiden.
Beim LiSe-DaZ handelt es sich um ein Elizitierungsverfahren, die Kinder werden also zu sprachlichen Äußerungen angeregt. Dabei sollte die/ der TestleiterIn beachten, dass Testfragen und Instruktionen nur einmal wiederholt werden sollen, falls das Kind nicht reagiert oder die Antwort bei akustischen Schwierigkeiten nicht verständlich war.  Es sollten Äußerungen der leitenden Person wie „richtig“, „falsch“ oder „fast richtig“ vermieden werden, allerdings auf jeden Fall ein generelles Interesse an den Aussagen des Kindes gezeigt werden und durch andere Bemerkungen auf die Äußerungen des Kindes reagiert werden.
Für die Testung stehen verschiedene Materialien zur Verfügung: ein Ringbuch zum Sprachverständnis von einfachen W-Fragen, eine Bildergeschichte für die Überprüfung der Sprachproduktion (SK, SVK,WK, KAS), Bilderkarten zum Sprachverständnis der Negation, sowie ein Ringbuch zum Sprachverständnis der Verbbedeutung.

 

Durchführung der Untertests
 
Die Untertests werden nach der oben beschriebenen Reihenfolge durchgeführt. Beim ersten Test VB – Verstehen der Verbbedeutung wird die Handpuppe „Fine“ eingeführt. Diese begleitet das Kind während der Testung und „unterstützt“ die testleitende Person bei der Durchführung des LiSe-DaZ. Zudem gehen den Untertests Übungsaufgaben voraus, um die Kinder an die jeweilige Art der Testaufgabe heranzuführen. Am Ende jeder einzelnen Durchführungsbeschreibung eines Untertests, ist in einem Absatz beschrieben, wann in dem jeweiligen sprachlichen Bereich von einem Förderbedarf auszugehen ist. Meist wird hierzu ein Wert angegeben (z.B. pro Verbklasse weniger als fünf richtige Antworten), welcher den Förderbedarf festlegt.

 

Modul „Sprachverständnis“

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VB – Verstehen der Verbbedeutung

Beim ersten Test VB – Verstehen der Verbbedeutung geht es darum zu erfassen, ob dem Kind die unterschiedlichen Verbklassen bewusst sind. Es soll getestet werden, ob Kinder prozess- und endzustandsorientierte Verben in ihrer Bedeutung wirklich trennen können. Das Verstehen der Verbbedeutung wird im Manual als besonders relevant beschrieben, da Verben eine zentrale syntaktische Aufgabe haben.
Hierzu schauen sich das Kind, TestleiterIn und Handpuppe „Fine“ gemeinsam das Bilderset – VB  an. Die Äußerungen werden auf dem Protokollbogen DaM oder DaZ notiert. Es gibt 12 Testaufgaben mit Prozessverben, sowie endzustandsorientierten Verben. Diese werden in einer zweiteiligen Bildfolge dargestellt, dabei wird links die Ausgangssituation gezeigt und rechts die Veränderung (z.B. trinken >-< austrinken).

Modul „Sprachproduktion“

Die Sprachproduktion der Kinder wird anhand der Bildergeschichte „Abenteuer im Park“ untersucht. Die durch ein Aufnahmegerät festgehaltenen sprachlichen Äußerungen des Kindes bilden die Grundlage für die Auswertung dieses Testteils. Die Sprachproduktion wird in zwei Schritten ausgewertet. Im ersten Schritt werden die aufgenommenen Äußerungen des Kindes abgehört und auf den „Protokollbogen A – Sprachproduktion DaZ und DaM“ übertragen, dabei sind die Äußerungen relevant die direkt mit den Testfragen im Zusammenhang stehen. Im zweiten Schritt werden die Äußerungen des Kindes auf „Protokollbogen B – DaZ oder DaM“ direkt mit den Testaufgaben für die einzelnen Untertests ausgewertet. Welche sprachlichen Aspekte in den Untertests wie erfasst werden, wird im Folgenden beschrieben.

 

Untertest SK – Satzklammer (Modul „Sprachproduktion“)

Der zweite Untertest welcher durchgeführt wird, ist der SK. Hierbei wird getestet inwiefern Strukturen von Haupt- und Nebensätzen benutzt und verstanden werden. Mit Hilfe der Bildergeschichte „Abenteuer im Park“ werden Fragen gestellt, oder die testleitende Person elizitiert Satzstrukturen durch zu ergänzende Satzanfänge. Es werden von diesen acht Hauptsatzstrukturen mit dem finiten Verb in der linken Satzklammer elizitiert.

Beispiel für eine Testfrage zum Hauptsatz (Manual, S, 47.):

TL: „Der Hund hat sich den Luftballon geschnappt. Er fliegt weg und winkt. Schau mal, die Jungen winken zurück. Und was macht LiSe?“
Kind (typische Hauptsatzäußerung): Die winkt auch; Auch winken.

Beispiel für eine Testfrage zum Nebensatz (Nebensätze können hier mit „weil“, „dass“ und „wenn“ eingeleitet werden):

TL: „Da steckt ja ein kleiner Hund drin. Warum macht der Hund so ein trauriges Gesicht?“
Kind (typische Nebensatzäußerung): Weil der da eingesperrt ist, weil der nicht raus kann.

Die Aussagen des Kindes können in 4 Entwicklungsstufen eingeteilt werden, welches auf Protokollbogen B geschieht. Die vier Entwicklungsstufen sind wie folgt beschrieben: Einwortäußerungen (Verb oder Verbpartikeln: winken); Mehrwortäußerungen mit besetzter rechter Klammer („da auch winken“); Hauptsätze mit mehreren Elementen, in der ein Verb in der linken Satzklammer steht („die winkt auch), und Nebensätze mit typischer Verbstellung („weil der da eingesperrt ist“).

Untertest SVK – Subjekt-Verb-Kongruenz (Modul „Sprachproduktion“)

Bei diesem Untertest wird anhand der Bildergeschichte geprüft, ob das Kind das Subjekt und das Verb miteinander in Übereinstimmung bringen kann. An dieser kann durch die abgebildeten Personen und Tiere gut getestet werden, ob das Kind Verben für Person und Numerus markiert. Dieser Untertest wird nur ausgewertet, wenn das getestete Kind im Untertest SK eine der beiden höchsten Entwicklungsstufen besitzt.
Beim SVK werden vier Werte berechnet, welche Aussagen über die Fähigkeit zur Verb-Subjekt-Kongruenz machen können. Zunächst wird durch den Wert SVK_1 die Summe aller Äußerungen erfasst. Der SVK_2 fasst die fehlerhaften Flexionen zusammen und der SVK_3 die richtigen Subjekt-Verb-Zusammenhänge. Der letzte Wert SVK_4 setzt sich aus dem Quotienten von Wert 3 und 1 zusammen, die richtigen Subjekt-Verb-Äußerungen werden durch die Anzahl aller Äußerungen geteilt.

Untertest WK – Wortklassen (Modul „Sprachproduktion“)

Wie bereits erwähnt prüft der LiSe-DaZ nicht den Wortschatz der Kinder, jedoch aber die Verwendung von fünf relevanten Wortklassen: Vollverben, Modal- und Hilfsverben, Fokuspartikel, Präpositionen und Konjunktionen. Dieser Untertest soll testen, ob das Kind diese Wortklassen an der richtigen Stelle im Satz benutzt. So stehen Vollverben und Modal- und Hilfsverben abhängig davon im Satz, ob es sich um Haupt- oder Nebensätze handelt. Die Fokuspartikel stehen meist im Mittelfeld. Präpositionen können in allen Feldern des Satzes auftreten und Konjunktionen besetzen nur die linke Satzklammer. Die richtige Verwendung der Wortklassen wird im Verlauf der Bildergeschichte dadurch geprüft, dass die  fünf elementaren Wortklassen von der testleitenden Person elizitiert werden.

Untertest KAS – Kasus

In acht Sätzen werden neun Kasusmarkierungen elizitiert, viermal der Akkusativ und fünfmal der Dativ. Dabei wurden Nomen gewählt, welche mindestens am definiten Artikel sichtbare Kasusmerkmale tragen (z.B. den Ball, dem Hasen u.ä.). Im Protokollbogen A sind mögliche richtige Antworten vorgegeben und weiß markiert. Auf dem Protokollbogen B, werden die Äußerungen des Kindes dann als „richtig“, „falsch“, „abweichend“ oder „andere Antwort“ bewertet. Dabei enthalten die richtigen Antworten eindeutige Kasusmarkierungen wie „den Hund“, abweichende Antworten sind „Hase“ (Artikel fehlt) oder die Hase (falscher Artikel), andere Antworten wäre z.B. „da“ oder „hier“. Zur Auswertung wird sowohl die Summe der richtigen Akkusativmarkierungen, als auch die Summe der richtigen Dativmarkierungen errechnet.

 

Modul „Sprachverständnis“
 
Untertest WF – Verstehen von W-Fragen

Beim Untertest WF wird getestet, ob das Kind die Bedeutung von W-Fragen verstanden hat und zudem in der Lage ist diese von Ja- /Nein-Fragen zu unterscheiden. Dazu verwendet der/die TL das Bilderset „Sprachverständnis WF – Einfache W-Fragen“, die Auswertung erfolgt auf dem Protokollbogen Sprachverständnis (DaZ oder DaM). Das Bilderset steht in Verbindung mit der Bildergeschichte „Abenteuer im Park“, die Aufgaben enthalten 10 W-Fragen mit fünf verschiedenen Fragewörtern: wer, wem, wen, womit, wann. Das getestete Kind hat in diesem Untertest die Aufgabe, auf eine W-Frage mit dem passenden Satzteil zu antworten.
 
Beispiel für eine Testaufgabe:

TL: „Ibo hilft dem Hund aus der Tonne. Er ist eingesperrt und kann nicht alleine raus.“
Testfrage: „Wem hilft Ibo aus der Tonne?“
Richtige Antworten von Kindern wären: Dem Hund; Hund; dem (Zeigen auf den Hund)

Dabei wird auf dem Protokollbogen in „richtiger Satzteil“ (z.B. einem Hund), „anderer Satzteil“ (z.B. Ibo oder Tonne), Ja-/Nein-Antwort, „andere Antwort“ (z.B. „Und dann gehen sie spielen“), unterteilt. Wichtig ist, dass als „richtiger Satzteil“ auch Antworten wie „den Hund“ o.ä. Gelten, da es in diesem Untertest nicht um grammatikalische Richtigkeit der Antwort, sondern eben um das Verständnis von W-Fragen, geht.

Untertest NG – Verstehen von Negation

Beim Test „Verstehen von Negation“ wird untersucht, ob das getestete Kind in einfachen Sätzen die Satznegation versteht. Anhand des Bildersets „Sprachverständnis NEG – Negation“ soll das Kind entscheiden, ob ein verneinter Satz zu einem Bild passt. Hier kommt auch wieder die Handpuppe Fine ins Spiel und unterstützt die testende Person bei den Testfragen. Der NG besteht aus 12 Testaufgaben, diese setzen sich aus jeweils 6 zutreffend negierten und nicht-zutreffend negierten Sätzen zusammen (die Sätze beziehen sich jeweils auf die Abbildung auf dem Bild und können passen oder nicht). So wird beispielsweise ein Bild angeschaut, auf dem Lise den Hund streichelt, die Handpuppe allerdings die Aussage trifft, Lise würde den Hund nicht streicheln. Mit der Frage „Stimmt das?“ wird das Kind darauf getestet, ob es diesen falschen Zusammenhang versteht.

 

Kritik

Über den LiSe-DaZ lässt sich viel Positives sagen, allerdings gibt es auch einige Aspekte, welche optimiert werden könnten. Zunächst einmal lässt es sich positiv bewerten, dass die Bildungssituation von Kindern mit Migrationshintergrund so eine große Rolle für die Entwicklung des Tests gespielt hat und diese auch ausführlich im Manual beschrieben wird. Dadurch wirkt LiSe-DaZ nicht nur wie ein „reiner“ Sprachstanderhebungstest, sondern der praktische Bezug zur gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit wird deutlich. Dass es ein ausführliches Kapitel zu den Fördermöglichkeiten der Kinder gibt, und auch am Ende jeder Erklärung der Untertests ein Absatz zu den Kriterien für einen Förderbedarf verfasst wurde, zeigt, dass der Schwerpunkt auf der Zukunftsperspektive der Kinder liegt. Auch, dass der Schwerpunkt des LiSe-DaZ auf den relevanten Aspekten des Deutschen liegt und z.B. der Wortschatz nicht erfasst wird, zeigt den Hintergrund unter welchem der Test entwickelt wurde. Dadurch, dass auf den Protokollbögen für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache die Kontaktzeit des getesteten Kindes mit Deutsch angegeben werden muss, wird die individuelle Sprachsituation des Kindes hervor gehoben. Was außerdem auffällt ist, dass Begriffe vor der Durchführung der Tests geklärt werden, sowie den Untertests Übungsaufgaben zur Gewöhnung an die Aufgabenstellung vorweg gehen. Dies trägt für das Kind zu einer entspannten Testsituation bei. Des Weiteren ist das Material sehr anschaulich und abwechslungsreich gestaltet. Positiv fällt abschließend auch auf, dass Menschen unterschiedlichster Berufe die Testleitung übernehmen können und er sich durch eine ausführliche Erklärung der Grundlagen des Deutschen auch bewusst an „fachfremde“ Personen richtet.
Es gibt allerdings auch ein paar Aspekte, welche optimierbar sind.  Es fällt auf zum Beispiel im Kapitel über die Fördermaßnahmen auf, dass trotz der ausführlich beschriebenen Förderperspektiven nicht zwischen unterschiedlichen Erstsprachen der Kinder mit DaZ differenziert wird. Dies wäre sinnvoll zu erwähnen, da z.B. bei der Sprachförderung von Kindern mit Türkisch als Erstsprache und Kindern mit Spanisch als Erstsprache andere Förderansätze sinnvoll sein könnten. Sprachen unterscheiden sich in ihrem grammatikalischen Aufbau und so sollte dies auch in der Sprachförderung berücksichtigt werden. Dieter Irblich kritisiert zudem in seiner Rezension, dass Begriffe, welche teilweise für die Erklärung der Gütekriterien genutzt werden, nicht näher definiert sind. So wird steht im Manual, dass ausschließlich Kinder, welche ihren „systematischen Kontakt“ mit der deutschen Sprache, im Alter von 2 bis 4 Jahren hatten, für die Normierung herangezogen wurden. Der Begriff „systematischer Kontakt“ sei allerdings nicht erklärt, deshalb ist es fraglich, ob dieser Kontakt mit dem Deutschen bei allen Kindern homogen verlaufen sei. Auch hinterfragt er die Handpuppe Fine, welcher seiner Meinung nach, gerade bei Kindern mit Aufmerksamkeitsschwierigkeiten für Ablenkung sorgen könnte.  Es lässt sich also abschließend festhalten, dass LiSe-DaZ über viele löbliche Aspekte verfügt. Gerade, wenn man den Test mit älteren sprachdiagnostischen Verfahren vergleicht, fallen viele positive Dinge auf (z.B. Begriffsklärung, Übungsaufgaben vor der Testung). Doch könnte der LiSe-DaZ an einigen Stellen noch ausgebaut werden. Hier sollte allerdings betont werden, dass Schulz und Tracy im Manual immer wieder betonen, dass der Entwicklungsprozess des Testverfahrens noch nicht abgeschlossen ist und weitere Untersuchungen zur Optimierung des LiSe-DaZ folgen.


Literatur

Schulz, P., Tracy, R. (2011). LiSe-DaZ: Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache. Göttingen: Hogrefe.

Irblich, Dieter: „LiSe-DaZ: Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache". In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 2012 (Jg. 61), Heft 7, Seite 540–548. Internetquelle:http://contentserver.hgv-online.de/nodrm/fulfillment?distributor=wuh&orderid=vr_gratisdownload_2013-02-11_09-41-10&resid=10_3244_0032-7034_2012_61_7E_540&auth=yaq8FnkTJn44abDd6CHZt5u14EU%3D
(letzter Zugriff am 13.08.2013)